Thursday, December 1, 2011

Spiegel

Afrika ist ein Land. In Libyen regieren die Taliban. Muslime sind Terroristen, Einwanderer sind meistens kriminell, Occupy-Protestler immer schmutzig. Und Frauen, die sich sexuell belästigt fühlen, sollen sich bitteschön nicht so anstellen.
Willkommen in der wunderbaren Welt der US-Republikaner. Oder vielmehr: in der Zerrwelt ihres Präsidentschaftswahlkampfes. Seit Monaten tingeln sie durchs Land mit ihrem Wanderzirkus, von Debatte zu Debatte, von Skandal zu Skandal, um sich fürs mächtigste Amt der Welt zu empfehlen - und keine Bodenlosigkeit ist ihnen tabu.
Sie lügen, heucheln, poltern und reden dummes Zeugs daher. Und sie beweisen eine politische, wirtschaftliche, geografische wie historische Unkenntnis, die George W. Bush als Gelehrten erscheinen und selbst Parteifreunde erschaudern lässt. "Wann hat die Grand Old Party den Bezug zur Realität verloren?", entgeistert sich Bushs Ex-Redenschreiber David Frum im "New York Magazine". Ronald Reagans Stabschef Kenneth Duberstein spricht von einer Reality-Show, Kolumnistin Peggy Noonan ("Wall Street Journal") gar von einer Freakshow.

6 comments:

  1. US-Präsidentschaftswahl 2012
    Alle Artikel und Hintergründe

    US-Republikaner
    Club der Lügner, Demagogen, Ignoranten

    Eine Reality-Show voller Peinlichkeiten: Die US-Republikaner tun sich in ihrem Vorwahlkampf mit Unwissenheit, Lügen und Skandalen hervor, stellt SPIEGEL-ONLINE-Korrespondent Marc Pitzke fest. Die Partei ruiniert den Ruf des Landes - und muss sogar das Comeback der ultimativen Skandalnudel fürchten.

    http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,800494,00.html

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  2. Afrika ist ein Land. In Libyen regieren die Taliban. Muslime sind Terroristen, Einwanderer sind meistens kriminell, Occupy-Protestler immer schmutzig. Und Frauen, die sich sexuell belästigt fühlen, sollen sich bitteschön nicht so anstellen.

    Willkommen in der wunderbaren Welt der US-Republikaner. Oder vielmehr: in der Zerrwelt ihres Präsidentschaftswahlkampfes. Seit Monaten tingeln sie durchs Land mit ihrem Wanderzirkus, von Debatte zu Debatte, von Skandal zu Skandal, um sich fürs mächtigste Amt der Welt zu empfehlen - und keine Bodenlosigkeit ist ihnen tabu.

    Sicher, auf dem Weg zum Weißen Haus geht immer allerhand daneben. Patzer, Schnitzer, Peinlichkeiten: Kein Wahlkampf käme ohne sie aus. Und auch diesmal wäre das alles sicher sehr lustig - wenn einem das Lachen nicht längst im Halse steckengeblieben wäre.

    Denn diese acht Möchtegernkandidaten sind fröhlich dabei, nicht nur ihren eigenen Ruf zu ruinieren und den ihrer Partei, der einst würdigen Partei Abraham Lincolns. Sie ruinieren den Ruf der USA.

    Sie lügen, heucheln, poltern und reden dummes Zeugs daher. Und sie beweisen eine politische, wirtschaftliche, geografische wie historische Unkenntnis, die George W. Bush als Gelehrten erscheinen und selbst Parteifreunde erschaudern lässt. "Wann hat die Grand Old Party den Bezug zur Realität verloren?", entgeistert sich Bushs Ex-Redenschreiber David Frum im "New York Magazine". Ronald Reagans Stabschef Kenneth Duberstein spricht von einer Reality-Show, Kolumnistin Peggy Noonan ("Wall Street Journal") gar von einer Freakshow.

    Letzteres trifft es wohl am besten.

    Platituden statt Programm: In ernsten Zeiten, die kluge Köpfe erfordern, bieten diese Witzfiguren nur Geschwafel, das die Intelligenz aller Amerikaner eigentlich beleidigen müsste. Doch wie alle Freakshows wäre auch diese undenkbar ohne ihre Bühne (die vor lauter politischer Korrektheit schon fast zwanghaft neutralen US-Medien) und ihr empfängliches Publikum (die über Nacht offenbar verdummte Parteibasis). Trotz des unterirdischen Niveaus dieses Vorwahlkampfs jubeln Presse und TV-Sender einen Clown nach dem anderen zum neuen Spitzenreiter hoch, in schön verlässlichen Nachrichtenzyklen von 45 Tagen.

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  3. Inhaltlich ist Cain eine Karikatur

    Zum Beispiel Herman Cain. Der saß Sex-Vorwürfe mit dem Argument aus, dass sich die allermeisten Ladys, denen er in seinem Leben begegnet sei, nicht beschwert hätten. Bei der jüngsten Affäre offenbarte sich am Montag eine Frau, die 13 Jahre lang seine Geliebte gewesen sein will. Cain tut das nonchalant ab - obwohl sein Anwalt Lin Wood alles andere als klar dementiert. Ein Berater Cains verkündete nun immerhin, dass der seine Kampagne überdenken wolle - was heißen kann, dass er bald hinschmeißt.

    Ein Verlust wäre das nicht. Denn auch inhaltlich ist Cain eine Karikatur.

    Als Chef der Pizzakette "Godfather's" vernichtete er früher Arbeitsplätze, jetzt geriert er sich als Jobmagier. Dabei beherrscht er weder das Einmaleins der Wirtschaft noch rudimentäre Grundkenntnisse in Politik oder Kartenkunde. Libyen verwirrt ihn, China hält er für keine Atommacht, andere Fragen beantwortet er kategorisch mit dem Ausruf "999!", dem Kürzel seines Steuersenkungsplans, der die Steuern für 84 Prozent der Amerikaner sogar erhöhen würde.

    Störte all das den vorübergehenden Aufstieg Cains? Keineswegs: Seit dem 1. Oktober haben ihm seine Fans mehr als neun Millionen Dollar gespendet.

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  4. Newt Gingrich, der entehrte Politdinosaurier

    Oder Newt Gingrich, das aktuellste Darling du jour. Weil der entehrte Polit-Dinosaurier kompliziertere Sätze sagen kann als die anderen, verklären ihn die US-Medien reflexartig zum "Mann der Ideen" ("Washington Post"), obwohl diese Ideen meist miserabel sind. Wenn nicht gar anstößig - wie etwa die, Schulhausmeister zu feuern und ihre Jobs von armen Kindern verrichten zu lassen.

    Dafür wird der selbstherrliche Berufsdemagoge ebensowenig abgestraft wie für die Chuzpe, als Lobbyist Abermillionen Dollar verdient zu haben und sich nun als Washington-Außenseiter zu verkaufen. Oder dafür, moralische Instanz zu spielen, obwohl er selbst zweifach geschieden ist - die erste Frau, krebskrank, überraschte er mit der Scheidung am Krankenbett, die zweite betrog er mit einer 23 Jahre jüngeren Mitarbeiterin, während er als Sprecher des US-Repräsentantenhauses das Impeachment Bill Clintons in der Lewinsky-Affäre vorantrieb. Chuzpe schon da.

    Die Amerikaner haben ein kurzes Gedächtnis. Vergessen auch, dass Gingrich mit Schimpf und Schande aus dem Kongress verjagt wurde, gemaßregelt als erster Speaker in der US-Geschichte wegen Ethikverstößen. Oder dass er stets scharf an der Grenze des Rassismus entlangschrammt, wenn er von Barack Obama spricht. Oder dass er einen 500.000-Dollar-Kreditrahmen bei Tiffany's hatte, während sein Wahlkampf in den Miesen versank - und er gegen die Staatsverschuldung wetterte.

    Die Medien hier danken ihm das vielmehr, indem sie ihn täglich neu höfisch umtänzeln. Und die Republikaner-Wähler, indem sie ihn in den Umfragen gerade ganz nach vorne setzen. Mr. Scheinheiligkeit als rechter Hoffnungsträger.

    "Die Leute hungern nach Ideen", erklärt ausgerechnet Gingrichs einstiger Erzfeind Clinton dessen "Erfolg" im Interview mit dem konservativen Magazin "NewsMax". "Er wird fürs Denken belohnt." Nicht nur die Republikaner haben den Verstand verloren.

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  5. Rick Perry - seine Unsäglichkeiten sind Legende

    Und die anderen Kandidaten? Rick Perrys Unsäglichkeiten sind Legende. Sein "Ooops"-Moment von South Carolina, seine oft trunken lallende Stimme, seine TV-Spots, die Obama Worte in den Mund legen, die der gar nicht gesagt hat (Amerikaner seien "faul"), seine Behauptung, als Gouverneur von Texas eine Million Arbeitsplätze geschaffen zu haben, obwohl es in Wahrheit nur 100.000 waren: Anderswo wäre Perry als ernstzunehmender Kandidat längst diskreditiert. Nicht in den USA.

    Michele Bachmann haben sie inzwischen zwar auf die Plätze verbannt, dennoch darf sie weiter so tun, als sei sie eine seriöse Bewerberin. Ron Pauls Fangemeinde wird umso engagierter, je wirrer er redet. Jon Huntsman - der einzige, der ab und zu mal sinnvolle Vorschläge macht - hat bei der Basis ausgespielt, seit er sich relativ wohlwollend über die Occupy-Demos äußerte.

    Bleibt Mitt Romney, der ewige Flipp-Flopper und am Ende geradezu garantierte Kandidat, obwohl ihn keiner richtig mag in der Partei. Stocksteif sagt er seine Phrasen auswendig her, schließlich übt er sie seit 2008, als es ihm misslang, John McCain die Nominierung abspenstig zu machen.

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  6. Einfach alles ignorieren?

    Als Investor scheffelte Romney Millionen und killte Jobs, nun spielt er den Heiland der Wirtschaft - mit einem "Wirtschaftsplan", den das Wirtschaftsmagazin "Forbes" als gefährlich tituliert und fragt, ob das wohl sein Ernst sei. Ganz zu schweigen von Romneys TV-Spots, die ebenfalls vor Unwahrheiten nur so strotzen.

    Ein schöner Club also. Ein Club der Lügner, Schuldner, Betrüger, Ehebrecher, Übertreiber, Pharisäer und Ignoranten. Kein Wunder, dass David Remnick, der Chefredakteur des "New Yorkers", darin schon den "Abstieg Amerikas" sieht.

    Die Tea-Party-Bewegung teilt diese Einschätzung nicht. Die feuert die schlimmsten Kandidaten am lautesten an, nur um diese dann erwartungsgemäß scheitern zu sehen, einen nach dem anderen. Da zeigt sich, dass diese von Fox News gesponserte "Volksbewegung" nie am Geschäft des Regierens interessiert war (oder an Intelligenz und Intellekt, die dieses nun mal erfordert). Sondern nur an der Vermarktung ihrer selbst, der Quoten und Millionen wegen.
    Der US-Wahlkampf als Realityshow - als pseudopolitisches Pendant zu den Paris Hiltons, Kim Kardashians und den Casting-Kandidaten, die das Fernsehen vergiftet haben: Je kruder, je lächerlicher, je dümmer - umso lukrativer. Vor allem für den TV-Sender Fox News, über den die Fairleigh Dickinson University jetzt herausfand, dass seine Zuschauer weniger informiert sind als Leute, die gar keine TV-Nachrichten gucken.

    Vielleicht wäre das die Lösung: Einfach alles ignorieren, bis zum Wahltag. Doch das Doku-Drama ist viel zu verlockend, mit seinen Seifenopern-Kapriolen. Das neueste Gerücht betrifft eine Kandidatin, die längst aus dem Rennen gefallen schien. Diese, so heißt es jetzt aber, könnte angesichts des Chaos vielleicht doch wieder einsteigen. Ihr Name: Sarah Palin.

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